Im Gesundheitswesen ist Einspringen aus dem Frei leider zur Routine geworden. Pflegekräfte, Therapeutinnen oder medizinisches Fachpersonal springen kurzfristig für erkrankte Kolleginnen und Kollegen ein, oft mit gutem Willen und Teamgeist. Doch aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist dieses „Helfen“ alles andere als günstig.
Denn wenn jemand einspringt, zahlt die Einrichtung mehr als doppelt: einmal für die erkrankte Person (Entgeltfortzahlung) und einmal für den Ersatzdienst. Hinzu kommen Zuschläge, Planungsaufwand und langfristige Folgekosten.
Zu den unmittelbar spürbaren Kosten zählen vor allem die direkten Personalkosten. Wird eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter krank, trägt der Arbeitgeber gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz bis zu sechs Wochen das volle Gehalt weiter, inklusive Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.Gleichzeitig muss die Versorgung der Patientinnen und Patienten aufrechterhalten werden, sodass die Einrichtung Ersatzpersonal stellen muss. Dieses kommt meist über Einspringen, Überstunden oder Leiharbeit zum Einsatz. Dadurch entstehen doppelte Zahlungen für eine einzige Schicht. Hinzu kommen Zuschläge und Prämien, die viele Einrichtungen inzwischen zahlen, um das kurzfristige Einspringen überhaupt noch attraktiv zu machen. Je nach Einrichtung betragen diese Zulagen häufig zwischen 25 % und 50 % des regulären Stundenlohns, ein erheblicher Kostenfaktor, der sich bei regelmäßigem Einspringen schnell summiert.
Neben den direkten Zahlungen entstehen erhebliche indirekte Kosten, die häufig unterschätzt werden.Häufiges Einspringen führt zu Überlastung, Ermüdung und Stress, was nachweislich (Senghaas et al., 2023)(Hohe Arbeitsbelastung Macht Krank, n.d.) die Krankheitsquote erhöht und wiederum zusätzliche Kosten verursacht. Zudem sinkt die Motivation im Team: Wer regelmäßig aus dem Frei gerufen wird, fühlt sich ausgebrannt und wenig wertgeschätzt. Dies resultiert langfristig in Fluktuation und Unzufriedenheit. Jede Kündigung zieht nicht nur einen personellen Engpass nach sich, sondern verursacht durch Neubewerbung, Auswahlverfahren und Einarbeitung durchschnittlich 5.000 bis 10.000 € an Zusatzkosten pro Person. Auch die Qualität der Arbeit leidet: Müdigkeit und Zeitdruck erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Behandlungs- oder Dokumentationsfehlern, die in Kliniken und Pflegeeinrichtungen erhebliche Folgekosten (Lindquist, 2023) nach sich ziehen können.
Einen weiteren, oft übersehenen Posten bilden die organisatorischen Zusatzkosten. Jede kurzfristige Dienstplanänderung verursacht zusätzlichen Aufwand bei Pflegedienstleitungen, Stationsleitungen oder in der Verwaltung. Auch die Kommunikation rund um das Einspringen – Telefonate, Nachrichten in Chatgruppen, Abstimmungen und Rückfragen – bindet Zeit und Personalressourcen, die anderweitig produktiver genutzt werden könnten. Die daraus entstehenden Koordinations- und Prozesskosten werden in der Praxis häufig unterschätzt, betragen aber realistisch 5 % bis 15 % des regulären Schichtlohns. In der Summe erhöhen sie die Gesamtkosten jeder eingesprungenen Schicht deutlich, auch dann, wenn keine direkten Geldprämien gezahlt werden.
Wenn eine Pflegekraft krankheitsbedingt ausfällt, entstehen dem Unternehmen gleich mehrere Kostenpositionen. Zum einen wird weiterhin das Gehalt der erkrankten Person im Rahmen der gesetzlichen Entgeltfortzahlung gezahlt, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird. Gleichzeitig muss die Einrichtung die Versorgung sicherstellen und daher eine einspringende Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter einsetzen, deren bzw. dessen Arbeitszeit einschließlich möglicher Zuschläge oder Prämien zusätzlich vergütet wird. Darüber hinaus fallen Prozesskosten an, die durch kurzfristige Organisation, Dienstplanänderungen und Abstimmungen innerhalb des Teams entstehen. In der Summe bedeutet dies, dass für eine ursprünglich einmal eingeplante Schicht mehrere Zahlungen parallel anfallen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lässt sich daraus der sogenannte Kostenfaktor F ableiten, der die Mehrbelastung rechnerisch ausdrückt.
F=2+p+a
Erklärung:
2 steht für die doppelte Zahlung (Ausfall + Ersatz)
p = Zuschlag für Einspringen, Überstunden oder Leiharbeit (in Dezimalform, z. B. 0,25 für 25 %)
a = organisatorischer Zusatzaufwand (z. B. 0,05 = 5 %)
Steigende Krankheits- und Fehlzeitenquote
Sinkende Arbeitgeberattraktivität
Höhere Fluktuation und Rekrutierungskosten
Weniger Dienstplanstabilität
Verlust von Teamkultur und Motivation
Was kurzfristig den Personalmangel löst, führt langfristig zu Kostenexplosionen und Qualitätsverlust.
Einspringen aus dem Frei mag auf den ersten Blick kollegial wirken, aus Sicht der Gesundheitsökonomie ist es jedoch eine der teuersten Formen der Personalsteuerung. Ein modernes Ausfallmanagement setzt auf Prävention, Planungssicherheit und gezielte Flexibilität. Je besser Dienstpläne stabil bleiben, desto geringer sind Fehlzeiten, Fluktuation und Folgekosten und desto gesünder bleibt das Team. Du möchtest wissen, wie hoch die tatsächlichen Kosten durch Einspringen in deiner Einrichtung sind? Ich zeige dir, wie du mit einfachen Formeln und Excel-Auswertungen dein eigenes Kostenmodell für Ausfallmanagement erstellen kannst. Jetzt Kontakt aufnehmen oder mehr über gesundes Personalmanagement erfahren.
Quellen:Hohe Arbeitsbelastung macht krank. (n.d.). Hans-Böckler-Stiftung. https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-hohe-arbeitsbelastung-macht-krank-28161.htm?
Lindquist, M. (2023, March 22). The real cost of turnover in healthcare. https://www.oracle.com/de/human-capital-management/cost-employee-turnover-healthcare/?
Senghaas, M., Struck, O., Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, & Universität Bamberg. (2023). Arbeits- und Personalsituation in der Alten- und Krankenpflege. Wie beurteilen Beschäftigte und Führungskräfte Belastungsfaktoren, Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten? [Report].
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