Wenn Stellenpläne falsch berechnet werden, die unterschätzte Wirkung des Overtime-Ausfalls

In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und anderen Gesundheitseinrichtungen wird regelmäßig eine Stellen- oder Personalbemessung für Stellenpläne  durchgeführt: Wie viele Vollkräfte oder Vollzeitäquivalente benötigt eine Station, eine Abteilung oder eine Einrichtung? Doch in der Praxis zeigt sich: Viele dieser Berechnungen sind zu optimistisch, weil man Ausfälle innerhalb der Ausfallreserve, Überstunden (OVT bzw. Overtime) und kurzfristige Einspringdienste nicht realistisch einplant. Das führt dazu, dass der Plan bei Belastung zusammenbricht, es zu häufigem Nachsteuerungsbedarf und versteckten Zusatzkosten kommt.

 

Gefahr falsche Stellenberechnung

In diesem Beitrag beleuchte ich:

  1. Warum viele Stellenberechnungen methodisch unterdimensioniert sind

  2. Typische Fehlerquellen — gerade in gesundheitsbezogenen Einrichtungen

  3. Ansätze zur Verbesserung und robustere Berechnungsmodelle

Am Ende findest du auch Quellen, mit denen du weiterarbeiten kannst.

1. Warum viele Stellenberechnungen zu optimistisch sind

a) Die Reserve- und Fehlzeitannahmen sind zu niedrig

Bei der Personalplanung wird oft ein ­„Fehlzeitenaufschlag“ oder Verteilzeitfaktor verwendet, der Urlaube, Feiertage, Schulungen und durchschnittliche Krankheitsfälle abbildet. In vielen Standardmodellen liegt dieser Zuschlag bei 10–20 %. Das mag „in ruhigen Zeiten“ funktionieren, versagt aber in Zeiten hoher Ausfallquoten oder bei chronischer Personalknappheit. Wenn eine Stelle bereits mehrfach durch Overtime oder Einspringen kompensiert wird, führt das zum „Ausfall des Ausfalls“: Die Reserveplanung greift nicht mehr — denn sie hatte nicht mit dem Überstunden-Ersatzbedarf gerechnet.

b) Overtime (OVT) und Einspringdienste werden oft separat oder gar nicht eingerechnet

Viele Stellenpläne behandeln Überstunden, Nachtdienste und Einspringdienste als Extras, nicht als planrelevante Variable. In der Realität aber sind sie gerade im Gesundheitswesen Alltag – und beeinflussen massiv, wie viel reguläres Personal nötig ist, um diese Last zu verteilen. Wird dieser OVT-Anteil nicht in der Stellenberechnung berücksichtigt, entsteht Unterdeckung.

c) Kumulative Effekte und Belastungsspitzen sind nicht linear planbar

Personalbedarf schwankt je nach Tageszeit, Wochentag, Feiertagen, Patientenzahlen etc. Wenn die Planung nur mit Durchschnittswerten arbeitet, verpasst sie die Spitzenbelastung, bei der Overtime oder Einspringen nötig wird. Werden die Spitzen nicht eingepreist, kippt das System schnell — und jede zusätzliche Einspringschicht schlägt sich als zusätzlicher Kosten- und Belastungsfaktor nieder.

d) Fehlende Puffer oder Redundanz

Ein rigoroser Plan ohne Redundanz (Pufferstellen) bringt zwar Kosteneffizienz, ist aber bei Ausfällen instabil. In der Praxis sind Pufferstellen, sogenannte Springer oder flexible Kräfte, notwendig, um kurzfristige Lücken zu schließen – und müssen in die Planung einfließen.

e) Überschätzung der Verfügbarkeit und Vernachlässigung von Erschöpfungseffekten

Gerade in Pflege- und Kliniksettings führt permanente Mehrbelastung zu krankheitsbedingtem Ausfall, Fluktuation, Überlastung etc. Diese Effekte werden in statischen Plänen selten abgebildet.

2. Typische Fehlerquellen (mit Praxisbezug)

  • Kein realistischer Zuschlag für Überstunden/OVT oder Einspringdienste

  • Einsatz der Reservekräfte wird zu zaghaft angenommen

  • Kein Ausgleich für Planabweichungen / Spitzenlastepisoden

  • Unterschätzung von Ausfallquoten, wenn Personalknappheit schon vorliegt

  • Statistische Modelle basieren auf historischen Daten, die Zeiten mit Overtime bereits normalisieren – man plant also „verzerrt nach unten“

  • Fehlende empirische Validierung der geplanten gegen die tatsächliche Ausfallrate

  • Ignorieren von Effektkaskaden: Eine Schicht, die mit Overtime kompensiert wurde, kann wiederum in der Folgeschicht zu Mehrbelastung führen

3. Robustere Ansätze für Stellenbemessung

a) Realistische Verteilzeitfaktoren mit OVT-Komponente

Man erweitert das klassische Modell (Einsatzbedarf + Reservebedarf) um einen OVT oder Einspring-Zuschlag, der aus historischen Daten abgeleitet wird (z. B. Durchschnitts-Überstundenzahl pro Vollkraft).

b) Szenarioplanung & Stresstests

Man plant nicht nur für den „normalen“ Betrieb, sondern auch für Hochstress-Szenarien: erhöhte Ausfälle, Spitzenzeiten etc., und rechnet durch, wie oft Puffer greifen müssen.

c) Nutzung empirischer Daten & Benchmarking

Man vergleicht mit realen Ausfallstatistiken, Overtime-Daten benachbarter Einrichtungen, Studien über Personalbedarf in Pflege und Klinik.

d) Pufferstellen einplanen

Ein stabiler Plan enthält einen festen Anteil an Springer-, Pool- oder Bereitschaftskräften, die nicht komplett als Reserve fungieren, sondern aktiv in die Regelbesetzung integriert sind.

e) Regelmäßige Validierung & Anpassung

Man misst kontinuierlich, wie oft kurzfristig eingegriffen wurde (OVT, Einspringdienste) und passt den Plan iterativ an.

 

4. weitere Lektüre

  • In der Pflege existieren etablierte Methoden wie PPR 2.0, die in der Dienstplanung eingesetzt werden – Studien kritisieren jedoch, dass manche Leistungen oder Ausfälle (z. B. Einspringdienste) nicht vollständig abgebildet werden (vgl. „Untergrenzen oder Personalbemessung in der Pflege“). PMC

  • Für den Bereich Notaufnahme existiert aktuell noch kein flächendeckendes, verbindliches Instrument, man diskutiert, welche Ausfall- und Spitzenzeiten berücksichtigt werden müssen. BMG

Schluss und Ausblick

Die Stellen- und Personalbemessung im Gesundheitswesen ist mehr als eine abstrakte Planaufgabe, sie entscheidet über Stabilität, Qualität und Kosten. Wenn Überstunden, Einspringdienste und der „Ausfall des Ausfalls“ nicht sauber eingeplant werden, bricht der vermeintlich optimale Plan oft bei Belastung zusammen und führt zu versteckten Mehrkosten und Belastungsschäden. Mein Vorschlag: Implementiere in deinen Einrichtungen eine iterative Methode, bei der du regelmäßig misst, wie oft OVT oder Einspringdienste genutzt werden, und deine Stellenberechnung daran anpasst. Nur so wird aus einem statischen Idealplan eine praxisresiliente Realität.

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